Handelsblatt: Widerstand gegen Mercosur-Abkommen: Abgeordnete fordern besseren Schutz des Amazonas-Gebiets
Im Europäischen Parlament formiert sich Widerstand gegen das Ziel der portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft, das ausgehandelte Freihandelsabkommen zwischen der EU und den vier lateinamerikanischen Mercosur-Staaten im ersten Halbjahr zu ratifizieren.
65 Europaabgeordnete kritisieren in einem Brief an den portugiesischen Premierminister Antonio Costa mangelnde Sanktionen, um eine zusätzliche Erklärung zum Schutz des Amazonas-Gebiets durchzusetzen. Die Unterzeichner kritisieren die aus ihrer Sicht mangelhaften Regeln für Umweltschutz und Nachhaltigkeit.
„In unserem Brief machen wir deutlich, dass das Abkommen mit seinen zahnlosen Nachhaltigkeitsstandards inakzeptabel ist“, sagte die Europaabgeordnete und handelspolitische Sprecherin der Grünen, Anna Cavazzini. „In der Rolle der EU-Ratspräsidentschaft sollte Portugal seine geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen zurückstellen und sich stattdessen auf gemeinsame Ziele der EU wie den europäischen Green Deal konzentrieren - mit dem das EU-Mercosur-Abkommen ganz eindeutig nicht vereinbar ist“, forderte die Vizepräsidentin der Brasilien-Delegation im EU-Parlament.
Portugal hatte zum Jahreswechsel von Deutschland den EU-Ratsvorsitz übernommen. Ein zentrales handelspolitisches Ziel ist die Unterzeichnung des Mercosur-Abkommens. Portugal verfügt traditionell über exzellente Verbindungen in Lateinamerika, insbesondere zu der einstigen Kolonie Brasilien. Innerhalb der vier Mercosur-Staaten ist Brasilien das Schwergewicht.
Dort hatten sich im Schnitt drei Viertel der Befragten gegen das umstrittene Freihandelsabkommen ausgesprochen, solange die illegale Abholzung im brasilianischen Amazonasgebiet anhält. Mit einer Ablehnung von 85 Prozent war die Kritik am Mercosur-Abkommen in Portugal am höchsten.
Abkommen werde zum Anstieg der Entwaldung führen
In dem Brief der 65 Europaabgeordneten an Portugals Ministerpräsidenten Costa heißt es wörtlich. „So wie es aussieht, wird das Abkommen zu einem deutlichen Anstieg der Entwaldung in der Mercosur-Region führen. Es besteht ein breiter wissenschaftlicher und politischer Konsens über die Notwendigkeit, ökologische und soziale Ziele vollständig in den Kern des Abkommens zu integrieren, und das Europäische Parlament hat erklärt, dass das Abkommen in seiner derzeitigen Form nicht ratifiziert werden kann.“
Die EU-Kommission spricht nach Angaben der Europaabgeordneten derzeit mit den Mercosur-Staaten, insbesondere mit Brasilien, über zusätzliche Verpflichtungen, um die Entwaldung zu stoppen und den Klimaschutz zu verbessern. „Wir sind nicht gegen einen sinnvollen internationalen Handel. Wir sind uns der geopolitischen Implikationen bewusst. Dennoch wissen wir auch, dass der Planet nicht länger warten kann und dass es mit Sicherheit an der Zeit ist, die Versprechen unserer Umwelt- und Klimaziele einzulösen“, schreiben die Europapolitiker.
Portugal kämpft unterdessen nicht nur gegen den Widerstand im Europaparlament, sondern von verschiedenen Mitgliedstaaten wie zum Beispiel Frankreich oder Österreich. Die portugiesische Ratspräsidentschaft muss daher viel Geschick aufbringen, um das seit Sommer vergangenen Jahres ausformulierte Abkommen durchzubringen.
An Unterstützung aus der EU-Kommission fehlt es der portugiesischen Regierung nicht. „Ich hoffe, dass die portugiesische Präsidentschaft die Unterzeichnung des Mercosur-Abkommens über die Bühne bringt. Doch die Atmosphäre aus relevanten Ländern ist dafür nicht unbedingt günstig“, sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni im Interview mit dem Handelsblatt und anderen europäischen Zeitungen.
Gentiloni nannte aber keine EU-Länder explizit. Als ermutigend wird es in Brüssel angesehen, dass es noch Mitte Dezember bei einem Treffen unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft mit den Mercosur-Ländern ein klares Bekenntnis zur Umsetzung des Abkommens gab. Die ersten Verhandlungen über das Mercosur-Abkommen begannen allerdings bereits vor zwei Jahrzehnten. Mit dem Mercosur-Abkommen würden die 27 Mitgliedsländer endlich Zugang zu einem Markt mit 260 Millionen Verbrauchern erhalten.
Unterstützung für das Mercosur-Abkommen kommt von der EVP
Trotz lauter Kritik gibt es im Europaparlament auch zahlreiche Unterstützer des Mercosur-Abkommens. Zu den Befürwortern zählt die EVP, die größte Fraktion in der EU-Volksvertretung. „Angesichts der weltwirtschaftlichen Lage wird es von besonderer Bedeutung sein, neues Wachstum zu ermöglichen, um gemeinsam aus dieser Krise herauszukommen.
Die EU-Kommission hat mittlerweile die Kritik zur Verbindlichkeit der Nachhaltigkeitskapitel aufgenommen und will diese durch Gespräche mit den Mercosur-Staaten ausräumen. Der für Handel zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, arbeitet an einer Lösung. Wie Insider in Brüssel berichten, könnten noch Protokollzusatzerklärungen formuliert werden, um beispielsweise die Bedenken gegen illegale Waldrodungen im brasilianischen Urwald aus dem Weg zu schaffen.
So könnte eine Änderung des Handelspaktes umgangen werden. „Portugal könnte durch effektive Verhandlungsführung dafür sorgen, dass die französischen Bedenken entkräftet werden“, sagte Europaabgeordneter Schwab. „Die Relevanz des südamerikanischen Wirtschaftsraums ist in Portugal viel präsenter als in Deutschland aufgrund enger kultureller und wirtschaftlicher Verbindungen, besonders nach Brasilien. Das sind gute Vorzeichen für einen Durchbruch“, sagte Hahn in Anspielung auf die deutsche Ratspräsidentschaft, die vor allem das Investitionsabkommen zwischen der EU und China vorangetrieben hatte.
Das EU-Abkommen mit den Mercosur-Staaten sieht die Abschaffung von Zöllen und Handelsbarrieren vor. Dadurch sparen Unternehmen etliche Milliarden Euro. Befürworter des Handelspakts weisen darauf hin, dass mit dem Abkommen die EU zum ersten Mal überhaupt die Möglichkeit zur Mitsprache bei Umweltschutz, Arbeitsrechten oder Menschenrechtsaspekten sowie beim Schutz indigener Minderheiten erhält.
Die EU ist der größte Handelspartner und Investor in den vier Mercosur-Ländern. 2019 exportierte die EU Waren im Wert von 41 Milliarden Euro nach Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay. Aus den Mercosur-Staaten wiederum werden hauptsächlich Agrarprodukte wie Soja, Kaffee, Tabak und Fleisch in die EU exportiert.
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